Mittwoch, 9. September 2015

Wir kaufen ein Fahrrad ....

... und der Gatte hat unsere Erlebnisse zusammengefasst:
 
Es gibt ja so Dinge, bei denen man eigentlich glaubt, sie wären ohne viel Aufwand und Recherche schnell erledigt. Ein Fahrrad kaufen z.B.: Man überlegt sich was man braucht, wieviel man ausgeben will und wo man das gute Stück dann kauft. Ein Damen-Trekkingrad mit voller Sicherheitsausstattung sollte es sein, 400 Euro erschien ein angemessenes Budget, und anders als bei den meisten anderen Anschaffungen wollten wir das nicht in einem Online-Shop kaufen, sondern in einem richtigen Geschäft.

Manchmal hat man dann noch Glück, denn mitten in die Überlegungen flatterte ein Werbeprospekt der Firma Hervis, in dem das Gewünschte angepriesen wurde. Die Freude über das vermeintliche Schnäppchen endete aber abrupt nach dem Eintreffen in der nächstgelegenen Hervis-Filiale: "Hamma net!". Gut, als mündiger Konsument ist man ja heutzutage von Lockangeboten, die am selben Tag nicht mehr verfügbar sind, wenig überrascht. Und es stehen ja auch ein paar andere Fahrräder im Geschäft. Und es muss ja nicht unbedingt das Superangebot aus dem Werbeflyer sein. Es stellt sich dann aber schnell heraus, dass es überhaupt nichts Passendes gibt. Na dann: Danke und auf Wiedersehen!

Zum Glück gibt es gleich in der Nähe in einem Industriegebiet die „Radwelt PINK“, einen großen Fahrradfachhändler, der wird schon was für uns haben. Zumindest stehen schon mal sehr viele Fahrräder in der zweistöckigen Halle, und ein Verkäufer ist auch schnell bei der Hand. Genauso schnell erklärt uns der aber auch, dass sein günstigstes Rad 800 Euro kostet - "Wegen der Qualität!" (von der Qualität werden wir noch öfter hören, und genauso oft werden Verkäufer an unserer Nachfrage scheitern, was genau denn nun die Qualitätsunterschiede sind). Soviel wollen wir eigentlich nicht ausgeben, daher bohren wir noch mal nach. Etwas überraschend meint er dann doch, er hätte ein für uns passendes Rad um 450 Euro. Na geht doch, das wollen wir bitte sehen! - "Hab ich nicht da." Die Frage, ob's denn irgendwann mal wieder da sein würde, haben wir nur mehr im Rausgehen gemurmelt.

Ja was soll's, eigentlich kaufen wir ja sowieso lieber direkt im Ort, da unterstützen wir die lokalen Geschäfte, das ist immer gut, und auch viel persönlicher! Dass uns dann bei SportMike die Dame an der Kasse nicht mal gegrüßt hat - egal, da hinten stehen die Fahrräder, die finden wir schon selbst. Viele waren es nicht, und das einzige in Frage kommende war eigentlich ein City-Bike, das uns optisch auch nicht recht gefallen hat. Aber man könnte ja trotzdem mal fragen ... wenn man nur wüsste wen. Wir sind sicher 10 Minuten um die Fahrräder herumscharwenzelt, haben uns die Beschreibungen, Ausstattungen und Preise durchgelesen, aber kein Verkäufer fand es der Mühe wert, mit uns zu sprechen. Einer war mit einer Kundin beschäftigt, ein anderer ist so schnell vorbeigeschurlt, dem hätten wir wohl ein Haxl stellen müssen, um ihn auf uns aufmerksam zu machen. Ganz ehrlich - wenn ich in einem Geschäft schon als potentieller Käufer einem Verkäufer nachlaufen muss, kauf ich dort lieber gar nichts.

Ein zweites Fahrradgeschäft namens „Spazierer-Zweirad“ gibt‘s in unserer Stadt auch. Ziemlich klein, kaum Fahrräder in der Ausstellung. Dafür gab‘s dort nicht gleich jemanden der einen nicht mal grüßt - da war nämlich gar keiner zu sehen. Na egal, schauen wir uns erst alleine um, ob was für uns dabei ist. Beim
Umherschlendern haben wir dann bemerkt, dass wir doch nicht allein waren. In einem Nebenraum saß jemand vor einem Computer - hoch konzentriert wie es scheint, er ließ sich nämlich auch von unserer Unterhaltung nicht aus der Ruhe bringen. Da wir sowieso nichts Passendes gesehen hatten, haben wir ihn dann auch nicht weiter gestört und sind wieder gegangen.

Mittlerweile waren wir soweit, darüber nachzudenken ob es nicht einfacher wäre, das Fahrradfahren komplett aufzugeben, nur um der Sache ein Ende zu machen. Andererseits waren wir im Urlaub und hatten Zeit, also sind wir als nächstes zum Intersport gefahren. Wir wurden auch prompt angesprochen, der freundliche Verkäufer meinte aber recht schnell, dass sein Fachgebiet eigentlich Mountainbikes wären und er daher einem Kollegen Bescheid sagen würde. Der kam dann auch bald, und zum ersten Mal während unserer Odyssee gab es eine halbwegs kompetente Beratung, einschließlich Abschätzung der idealen Rahmengröße und Erläuterung deren Wichtigkeit. Das hat sich allerdings schnell wieder relativiert, da das einzige halbwegs in Frage kommende lagernde Rad zwar einen zu kleinen Rahmen hatte, genau DAS plötzlich aber "eh auch OK wäre". Da hatten wir als Laien wohl mal wieder etwas nicht ganz richtig verstanden.

Viel mehr aufgestoßen hat uns allerdings die Tatsache, dass beim Kauf eines lagernden und in der Ausstellung stehenden Fahrrades eine Gebühr von 30 Euro für den Zusammenbau desselbigen zu entrichten wäre. "Die zahlt aber eh keiner", meinte der Verkäufer (Aufatmen, geht doch!), "weil ich allen Kunden unser Servicepaket für 70 Euro empfehle, damit entfällt die Gebühr für den Aufbau". Jetzt versteh ich ja noch so ein kleines Bisschen, dass auch ein Fahrrad mal überprüft werden sollte, wofür ich es aber ganz sicher nicht ins Auto packen und extra dorthin bringen würde, wo ich es gekauft habe, nur weil ich genau dort irgendwann mal ein Servicepaket gekauft habe. Und wieso ich in einem Ladengeschäft zusätzlich zum normalen Kaufpreis noch eine Gebühr für das Zusammenbauen bezahlen soll, wird mir in diesem Leben niemand mehr schlüssig erklären können - das ist Nepp. Kommt das bald auch bei Autos? Es wird niemanden überraschen, dass wir auch dieses Geschäft radlos verlassen haben.

Im Internet haben wir dann „BikeStore.cc“ entdeckt. Eine Suche nach dem von uns gewünschten Fahrradtyp lieferte dort 170 Ergebnisse. Endlich Auswahl, und zwar auch mit Preisen um die 400 Euro! Und das Beste: Die haben auch mehrere Filialen, sodass man sich das Wunschrad in natura anschauen kann. Rein ins Auto und ab in die nächste Filiale! Dort war's auch wieder schnell vorbei mit der Vorfreude - kaum Ausstellungsstücke, und dann wieder vor allem teure Modelle. Man hat uns auch erklärt warum - ein Rad kauft man im Frühjahr, da gibt‘s dann auch eine viel größere Auswahl. Hilft einem halt auch nichts, wenn grad Sommer ist und man eines kaufen will. Wir haben dann erwähnt, dass es ja im Online-Shop eine riesige Auswahl gäbe und gefragt, ob das Geschäft dort eins für uns bestellen könnte. Kann man - theoretisch. Aber: Die vielen schönen Räder aus dem Online-Shop sind zumeist nicht mehr lieferbar, weil die Hersteller schon dabei sind auf das neue Modelljahr umzustellen (was ändert sich bei einem Fahrrad eigentlich jedes Jahr? Meist nur die Farbe, wie wir erfahren haben). Wir hätten dann doch eins gefunden, doch dann das nächste Hindernis: Nicht das Geschäft bestellt das Rad und wir können es uns dann anschauen und entscheiden ob wir es nehmen, nein, WIR müssen es bestellen und dann auch verpflichtend nehmen. Nein danke, da kann ich es ja gleich im Online-Shop bestellen und zu mir nach Hause liefern lassen.

Genau das haben wir nach der Odyssee durch die Fahrradgeschäfte auch beschlossen. Bisschen herumgesucht und auf Bikester gestoßen. Ein übersichtlicher Online-Shop, mehrere passende Modelle zur Auswahl, aussagekräftige Fotos und exakte Beschreibungen der verbauten Komponenten. Viel besser als die minimalistischen Preisschilder in Geschäften, und man kann in Ruhe vergleichen (gut, Ruhe hatten wir auch in den Geschäften mehr als erwartet). Ab 499,- Euro ist auch noch der Versand kostenfrei! Wir haben uns dann für ein Ortler Saragossa Damen (2015) um 539,99 Euro entschieden. Registriert, mit Kreditkarte bezahlt, Bestellung abgeschlossen und das Rad wurde prompt versandt, die UPS-Trackingnummer haben wir auch per Mail bekommen. Vorab gab es dann auch schon eine Mail mit einem Link zur Aufbauanleitung - laut Webseite ist das Rad zum Großteil vormontiert.

Zwei Tage später stand der UPS-Bote schon vor der Wohnungstür und hat uns das große Paket ins Vorzimmer gestellt. Voller Vorfreude den Karton gleich geöffnet, und tatsächlich, man muss nur mehr das Vorderrad und die Pedale montieren und den Lenker geradestellen. Das nötige Werkzeug hatten wir zum Glück, beigepackt war nämlich keines. Nach dem Einsetzen des Vorderrads das Rad kurz angehoben und geschaut ob es gerade läuft und der Nabendynamo funktioniert - passt. Vorderbremse gezogen und *platsch*. Ja, *platsch*. Die Vorzimmerwand ist plötzlich voller nasser Flecken, und wir wussten nicht warum. Dann dämmerte es uns: Das Fahrrad hat ein hydraulisches Bremssystem, d.h. zur Kraftübertragung kommt nicht ein klassischer Seilzug zum Einsatz, sondern Hydrauliköl. Und zwar offensichtlich eine ganze Menge Öl, das jetzt nicht mehr in der Bremse war, sondern auf der weiß ausgemalten Vorzimmerwand. Scheiße.

Glück im Unglück: Das Hydrauliköl ist jetzt nicht so dunkel wie das Öl bei einer Ölpest oder in der Fritteuse bei einem versifften Würstelstand, aber während es sich von den Bodenfliesen restlos entfernen ließ, half bei der Wand weder rasches Abtupfen mit feuchtem Küchenpapier noch ein Schmutzradierer. Es blieben auf fast einem Quadratmeter verteilt helle Flecken an der Wand.

Davon abgesehen hatten wir jetzt natürlich ein kaputtes Fahrrad und die geplante Fahrradtour am Wochenende war wieder in weite Ferne gerückt. An der telefonischen Hotline von Bikester war man freundlich: Man bot an, dass wir das Fahrrad zu einem örtlichen Fahrradgeschäft bringen und es dort auf Kosten von Bikester (bis zu einer Höhe von 70 Euro) reparieren lassen. Zum Problem der Ölflecken an der Wand wurde empfohlen, eine Mail mit Fotos an Bikester zu schicken, da das auf höhere Ebene geklärt werden müsste.

Wir haben also das Fahrrad quer durch die Stadt geschoben, in der guten Hoffnung, doch bald damit fahren zu können. Fehlanzeige. Es wurde uns eine Reparaturdauer von 10-14 tagen in Aussicht gestellt, aufgrund der vielen wartenden Arbeit in der Werkstatt. Der freundliche Mitarbeiter erklärte uns auch noch, dass eine hydraulische Bremse ein geschlossenes System sei, an dem normalerweise zumindest auf den ersten paar 1000 Kilometern überhaupt nichts gemacht werden muss. Die Wartezeit war uns zu lang (bis dahin wäre unser Urlaub vorbei gewesen), außerdem wollten wir an einem nagelneuen Fahrrad nicht gleich am Anfang Reparaturen vornehmen lassen.

Noch einmal mit Bikester telefoniert: Die Standardprozedur in einem Fall eines Defekts ist es, das Fahrrad im Rahmen des 100tägigen Rückgaberechts zu Bikester zu retournieren, und bei Bedarf einfach dasselbe Rad noch einmal zu bestellen. Nach einigem Hin und Her - ein richtig gutes Gefühl hatten wir ja nicht mehr, was die Warenqualität und die Ausgangskontrolle bei Bikester betrifft - haben wir dann genau das getan. UPS kam noch am selben Tag und holte das defekte Fahrrad ab. Bevor wir das Fahrrad ein zweites Mal bestellten, haben wir uns noch einmal mit dem Problem der Ölflecken beschäftigt und eine Mail an Bikester geschickt.

Wir haben den Vorfall beschrieben, ein Foto angehängt und verschiedene Varianten für die Schadensbehebung vorgeschlagen: Wir holen einen Kostenvoranschlag von einem Maler ein, Bikester meldet den Schaden seiner Versicherung, die einen Sachverständigen schickt, oder Bikester findet uns mit einem Pauschalbetrag oder einem Gutschein ab, den wir dann bei der Neubestellung verwenden würden. Leider ließ eine Antwort auch sich warten, sodass wir dann doch in der Zwischenzeit das Fahrrad ein zweites Mal bestellten.


Noch bevor die zweite Lieferung eintraf, gab es dann doch eine Antwort: Man könne "leider keine Kosten für Malerarbeiten übernehmen, da man keinen Einfluss auf den Aufbauort des Fahrrades habe". Ähem. Das ging unserer Meinung etwas am Kern des Problems vorbei, nämlich dass ein neues Fahrrad nicht unkontrolliert Öl verspritzen sollte. Ob das dann auf eine Innenwand, eine Außenmauer oder in die Augen trifft, beeinflusst maximal die Art und Höhe des eintretenden Schadens. Ich teste ja auch eine neue Mikrowelle nicht erst im Bunker, weil sie vielleicht mich statt des Essens grillen könnte.

Recht überrascht waren wir dann, als das zweite Fahrrad ankam. Im Gegensatz zur ersten Lieferung waren hier wesentliche Teile mit Luftpolsterfolie geschützt, u.a. Rahmen, Sattel und Bremshebel. Außerdem lag das für den Aufbau benötigte Werkzeug bei und separate Bedienungsanleitungen für die verbauten Komponenten wie Bremse, Nabendynamo und Federgabel gab‘s auch. Im direkten Vergleich gibt es nur eine Erklärung: Das erste Fahrrad wurde schon vorher an einen Kunden ausgeliefert, der es dann unvollständig wieder eingepackt und zurück geschickt hat. Wir haben es dann als Neuware zum vollen Preis zugeschickt bekommen, ohne dass man es vorher überprüft hätte und die fehlenden Beigaben wieder beigefügt worden wären.

Wir hätten die ganze Angelegenheit jetzt natürlich über die Rechtsschutzversicherung weitertreiben können, wollten Bikester aber noch einmal eine Gelegenheit zur Stellungnahme und einer Kulanzlösung geben. Kostet ja auch alles so schon genug Zeit und Nerven. Ein paar Tage hat es wieder gedauert, dann kam Antwort: Auf den Vorwurf, dass eventuell B-Ware als Neuware verkauft worden wäre, wurde nicht eingegangen. Es könnten keine Kosten für Schäden übernommen wären, da zwar "aus einer Bremse kein Öl auslaufen sollte" (nicht ausgelaufen, sondern über eine Entfernung von 1-1,5m gespritzt), aber "das Wohnzimmer kein geeigneter Ort für den Aufbau eines Fahrrades wäre" (vom Wohnzimmer war nie die Rede). Im Kopf des Mitarbeiters spielte sich die Szene wohl in der Art ab, dass ich das Fahrrad in meinem weißen Armani-Anzug durch die ganze Wohnung ins Wohnzimmer geschleppt habe, es dort auf einem Eisbärenfell abgestellt habe und jetzt wegen eines stecknadelgroßen Tropfen Öls Tausende Euro Schadenersatz erstreiten will.

Da wir offensichtlich damit scheiterten, Bikester unseren Standpunkt klar zu machen, haben wir dann nur noch gefragt, ob wir die E-Mails von Bikester wörtlich oder nur zusammenfassend zitieren dürfen, wenn wir unser Kauferlebnis in sozialen Medien bzw. bei Kundenbewertungsportalen beschreiben. Das war dann interessanterweise so etwas wie ein Weckruf. Neben dem Hinweis, dass "man sich vorbehalte darauf entsprechend zu reagieren" (was auch immer damit gemeint sein soll, es klingt bedrohlich), wurde uns ein Warengutschein im Wert von 100 Euro angeboten.

Die naheliegende Frage, ob man den Gutschein nachträglich auf die Fahrradbestellung anrechnen könnte? "Nein, das geht nicht".

Ob denn der Gutschein zumindest übertragbar wäre, da wir verständlicherweise selbst bei Bikester nichts mehr kaufen wollen? "Nein, das geht leider nicht".

Wir geben‘s auf.

Braucht jemand Fahrradzubehör? Wir hätten da einen Gutschein...

Keine Kommentare: